Kirchturmsanierung im Seebad Ahlbeck

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Blick vom Kirchturm in Ahlbeck

Kugel auf der Ahlbecker Kirchturmspitze war leider leer

 „Jetzt sind wir alle sehr enttäuscht“, sagte Dr. Gerrit Richter, seines Zeichens Vorsitzender des Kirchgemeinderates Ahlbeck, nachdem er auf dem Boden der Tatsachen angelangt war. Am Rande des Bauzauns seiner Kirche erklärte er den Umherstehenden, dass die Kirchturmkugel in luftiger Höhe von 40 Metern „leider leer“ war.

Zuvor war der Ahlbecker Zahnarzt mit Handwerkern bis zum gusseisernen Kreuz nach oben gestiegen, um die Blechkugel zu inspizieren. Reinhard Höge von der Firma Deckert hatte die unterhalb des Hohlkörpers liegende Manschette gelöst, sodass sein Chef Andreas Deckert mit Spiegel und Taschenlampe das Innere ausleuchten konnte.

Zur Enttäuschung aller kam allerdings keine Hinterlassenschaft aus dem Kirchenbaujahr 1895 zum Vorschein. Mit großen Hoffnungen waren die Beteiligten an die Arbeit herangegangen, schließlich waren 2005 bei ähnlichen Sanierungsarbeiten am Heringsdorfer Kirchturm wahre Schätze, wenn auch nur ideelle, in zwei Bleizylindern zum Vorschein gekommen. Dokumente, Münzen, Zeitungen, ein touristischer Führer von Werner Delbrück für das Ostseebad Heringsdorf und ein Ortsplan aus dem Jahr 1905 waren alle noch gut erhalten darin gewesen.

Dafür war die Turmkugel von drei Schüssen durchlöchert, die laut des früheren Ahlbecker Pastors Karl-Heinz Ohm von russischen Soldaten stammten. „Die Russen haben ein Zielschießen gemacht“, weiß er von Erzählungen. Ohm, der in den 1980er Jahren Pastor in Ahlbeck war, wollte sich die Kugelöffnung nicht entgehen lassen, auch wenn er nicht mit auf das Baugerüst stieg. Als 1981 der Kirchturm wie dieser Tage mit neuen Schieferschindeln eingedeckt wurde, hatte er hingegen die Bauarbeiten aus der Nähe mitverfolgt. „Natürlich war ich da oben. Da war ich erst 50 und noch gut in Form“, sagte er jetzt lachend.

Warum die Kugel nun leer war, bleibt unklar. Ortshistoriker Heinrich Karstaedt geht davon aus, dass es 1895 versäumt wurde, Erinnerungsstücke an die Zeit des Kirchenbaus beizufügen, wie es ansonsten üblich war. Er vermutet dies, denn „die Kirche ist ja damals in einem rasanten Tempo gebaut worden“. Gut möglich aber auch, dass bei der Kirchturmsanierung 1981 die Kugel geöffnet und der Inhalt entnommen wurde. Das hält allerdings Pastor Ohm für ausgeschlossen.

Eine Überraschung, wenn auch eine unangenehme, hatte die Turmbesteigung dann doch noch parat. Es stellte sich heraus, dass das Turmkreuz so stark korrodiert ist, dass es durch ein neues ersetzt werden muss. Dadurch verzögern sich die Bauarbeiten der Dachdecker, die in den nächsten Tagen mit der Schiefereindeckung beginnen wollten.

Wenn das neue Kreuz auf die Spitze kommt, soll auch die Kugel mit Dokumenten gefüllt werden. „Wir werden da schon Zeitzeugnisse hineinlegen“ versichert Gerrit Richter. Dann haben wenigsten die zukünftigen Kirchengemeinderäte bei der nächsten Turmsanierung mehr Glück beim Ausleuchten der Kirchturmkugel.