Fallschirmspringen über Usedom

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Fallschirmspringen über Usedom

Nervenkitzel mit Traumaussicht

Insel Usedom (dp). Die leichten Morgenwolken haben sich verzogen, die Sonne scheint satt auf die frisch gemähte Wiese neben der Startbahn. Es riecht nach Kaffee und aus dem großen Zelt krächzt Tom Waits seine unvergleichliche Version von „Waltzing Matilda“. Noch geht es ruhig zu rings um die Zelte, Wohnwägen und Wohnmobile am östlichen Ende des Heringsdorfer Flughafens.

Für neun Tage hat hier der Fallschirmsportclub Mecklenburg e.V. aus Neustadt-Glewe sein Lager aufgeschlagen. Seit vergangenem Samstag steigt hier die „vereinseigene“ Cessna Grand Caravan 208B täglich bis zu 22 Mal in die Luft, um jeweils bis zu 17 Springer auf eine Höhe von knapp 4.000 Metern zu bringen.

An diesem frühen Vormittag ist ein seltenes Doppeljubiläum angesagt. Springerfreunde von Torsten und Thomas haben sich zu einer Eins und drei Nullen auf das Gras gelegt – als Willkommensgruß für die beiden, die soeben auf dem Weg zu ihrem tausendsten Sprung sind. In Fallschirmspringerkreisen ist das eine kleine Schallmauer und wird dem entsprechend gebührend gefeiert. Nach erfolgreicher Landung wird gratuliert und zur Krönung gibt es für Torsten und Thomas noch eine Torte – mitten ins Gesicht.

So sind sie, die Fallschirmspringer – „ein Völkchen für sich“, wie es Pilot Michael Emeis aus Hamburg beschreibt. Er und Falko Wünschkowski teilen sich den „Ferienjob“ im Cockpit. Jeder fliegt abwechselnd einen halben Tag. Sie gehören wie der Vorsitzende Jörg Panzer, sein Stellvertreter Thomas Reinke und gut ein Dutzend Fallschirmsprunglehrer und Tandemmaster zum harten Kern des Fallschirmsportclubs Mecklenburg.

Thomas ist die meiste Zeit im Zelt anzutreffen. Hier koordiniert er zusammen mit Katja und Ina die Sprungwünsche der gut Hundert Springer aus ganz Deutschland. Das mittlerweile 11. Sommercamp des Vereins auf Usedom ist sehr beliebt, zum einen wegen der großzügigen Fläche zum Campen, vor allem aber wegen der phantastischen Aussicht auf die Insel. Auf Usedom bietet der Verein Trainingssprünge, Birdman-Flug-Einweisungskurse, Kappenflugseminare und natürlich Tandemsprünge für Gäste an. Wer sparen will kann mit Gutscheinen von Sparspion vielleicht ein Schnäppchen für die Flüge erwerben.

Einer davon ist an diesem Morgen Ralf Benschu, bekannt von der Band „Keimzeit“. Der Saxofonist ist derzeit auf Usedom, wo er mit seiner Formation „Meier´s Clan“ in vier Inselkirchen gastiert. Sein Tandemsprung ist aus einer „Bierlaune“ heraus entstanden. Am Sonntag hat er seine Groß-Nichte Julia, die schon 175 Fallschirmsprünge absolviert hat, zum Heringsdorfer Strand begleitet, wo am Abend spektakuläre Strandsprünge stattfanden. Hier hat er sich spontan entschlossen, zu springen. Ralf Benschu schwärmt von diesem Erlebnis und freut sich schon auf seinen nächsten Sprung, den er zwar in Fehrbellin, aber mit seinem heutigen Tandemmaster Nils machen wird.

Beim fünften Umlauf darf dann der Autor mitfliegen. Zur Sicherheit mit Fallschirm ausgestattet geht es an der Seite von Thomas Reinke zur Maschine, wo schon fünfzehn Springer bereitstehen. Kurze Zeit später sitzen alle in Dreierreihen auf dem Boden. Jetzt wird es laut, ein kleiner Ruck und ab geht es in die Luft. Gute zwanzig Minuten dauert der Steigflug. Er führt vom Flughafen bis nach Wolgast und über die Ostseeküste wieder zurück – eine grandiose Aussicht inklusive.

Bei exakt 3.700 Metern Höhe öffnet der vorderste Springer die Luke und so geht es der Reihe nach raus. Michael Jung, Mario Bosecke und Videomann Robert Krauss sind mit an Bord und bereiten sich für ihren so genannten 3-Fly-Sprung vor. Damit vertreten sie Deutschland im November bei den nächsten Fallschirmsprung-Weltmeisterschaften in Dubai.

Fast im Sturzflug geht es zurück zum Flughafen. Ja keine Zeit verlieren, denn die nächsten Springer warten schon. Zum Fotografieren bleiben dennoch beste Gelegenheiten. Atemberaubend ist der Blick auf das Swinedelta, die Kaiserfahrt und den neuen riesigen Gashafen in Swinemünde, aber auch auf die vielen Seen der Insel. Wer einmal oben war, weiß spätestens jetzt, warum die Fliegerei und auch die Springerei so faszinieren.