Bansin im Sommer des Jahres 1946

von
Fischer August Schmidt

60 Fotografien von Abraham Pisarek

Seebad Heringsdorf (dp). Einen wahren Schatz hat der frühere Heringsdorfer Bürgermeister Hans-Jürgen Merkle ausgegraben. Immer auf der Suche nach historischen Fotos und Büchern von und über die Insel Usedom ist er im Internet bei der Deutschen Fotothek fündig geworden. „Beim Suchbegriff `Bansin´ wurden mir über 300 Bilder angezeigt“, so Merkle. Sechzig davon hat er ausgewählt für die Ausstellung „Bansin Sommer 1946“, die jetzt in der Heringsdorfer Villa Irmgard zu sehen ist.

Fotoausstellung mit bislang unbekannten Porträts Bansiner Fischer

Sie alle stammen vom Berliner Fotografen Abraham Pisarek, der mit seiner Familie im August und September 1946 seinen Urlaub in Bansin verbrachte. Pisarek hatte im Frühjahr desselben Jahres das wohl berühmteste Foto seiner Karriere geschossen. Dieses kennen viele ehemalige DDR-Bürger und es zeigt den Händedruck von Wilhelm Pieck (KPD) und Otto Grotewohl (SPD) beim Vereinigungsparteitag am 22. April 1946. Aus der Zwangsvereinigung von SPD und KPD ging bekanntlich die SED hervor.

„Pisarek hat damals Filme für mehr als 300 Fotos mitgebracht. Die waren wie Goldstaub“, erklärt Hans-Jürgen Merkle. Er hat viel recherchiert und herausgefunden, dass Abraham Pisareks Tochter Ruth noch lebt. Er hat die in Berlin-Dahlem lebende 90-Jährige nach ihren Erinnerungen an den Urlaub in Bansin befragt, leider aber nicht all zu viele Aufschlüsse erhalten können. Immerhin zeigt die Fotodokumentation des Vaters, dass die Familie mit dem Zug von Berlin aus an die Ostsee fuhr.

In Bansin hat der jüdische Fotograf (1901-1983) mit seinen Fotografien einzigartige Zeitdokumente geschaffen. So zeigen die Bilder ein Kinderferienlager für Stadtkinder am Langenberg, Jugendliche auf einem Schiffswrack am Bansiner Strand, Fischer bei ihrer Arbeit, die Fischerhütten, Wahlgänger bei der Kommunalwahl am 15. September 1946 im Bansiner Warmbad, Kinder am Strand und Bauern bei der Getreideernte.

Während die Fotografien eine ärmliche Landbevölkerung zeigen, die Kinder laufen entweder barfuß oder in übergroßen Schuhen, dokumentieren die Strandbilder eine gänzlich andere Welt. Hier sitzen zwei Urlauberkinder in ihre Bilderbücher versunken im Strandkorb, da plauschen zwei Teenager am Meeressaum und die Tochter des Fotografen posiert neckisch für den Papa.

„Die Bilder zeigen eine unglaubliche Normalität“, meint dazu auch der Ausstellungsmacher. Der hat aber nicht nur im Fotoarchiv gekramt, sondern auch noch eine Zeitung aus jener Zeit ausgegraben. Die wird ebenfalls in Ausschnitten die Ausstellung in der Villa Irmgard bereichern. Daraus geht unter anderem hervor, dass der 800-Einwohnerort Bansin überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen hatte. Mit rund 1.100 Flüchtlingen lebten 1946 mehr als doppelt so viele Menschen in Bansin als zum Kriegsende. „Die Versorgung war damals beschwerlich“, weiß aus dieser Zeitungsausgabe auch Hans-Jürgen Merkle – zumal die beiden Brücken von der abziehenden Wehrmacht gesprengt wurden.

Merkle hofft, dass möglichst viele ältere Bansiner die Ausstellung besuchen, um bei der Erkennung der gezeigten Fischer, Frauen und Kinder behilflich zu sein. Einen ersten Erfolg konnte er schon verzeichnen. Ausgerechnet Merkles Lieblingsmotiv, der alte Fischer von der Einladungskarte für die Ausstellung wurde von Inge Richter wiedererkannt. Es zeigt August Schmidt mit Pfeife im Mund und Fischernetzen über der Schulter. Schmidt war der Großvater der heutigen Fischer Wolfgang und Sven Harder. Die Fotoausstellung „Bansin Sommer 1946“ ist bis zum 13. August 2017 in der Heringsdorfer Villa Irmgard zu sehen.